Namen

Änderungen im Namensrecht: Wie sorbische, friesische und dänischen Minderheiten gestärkt werden

Es passiert nicht allzu häufig, dass Gesetze beschlossen werden, die direkte Auswirkungen auf unsere Sprache haben. Am 12. April wurde allerdings ein neues Gesetz verabschiedet, das Neuerungen auf dem Gebiet der Familiennamen eingeführt hat. In den Medien wurde vor allem über die Neuregelungen in der Führung und Vergabe von Doppelnamen bei Ehelauten berichtet. Wir wollen uns heute aber einen anderen Aspekt des Gesetzes genauer anschauen: Es soll jetzt nämlich auch möglich werden, Nachnamen nach dem typisch friesischen, dänischen und sorbischen Muster zu bilden, was bisher nicht erlaubt war.

Müller, Meier Schulz: Familiennamen in Deutschland

Familiennamen funktionieren in Deutschland grundsätzlich so: Alle Mitglieder einer Familie tragen den gleichen Familiennamen, der an die nächsten Generationen weitervererbt wird. Es ist außerdem erlaubt, dass eine der verheirateten Personen einen Doppelnamen annimmt oder dass beide ihren alten Nachnamen behalten. Der Familienname kann dabei aussehen wie ein deutsches Wort (Lang, Fischer, Busch), aber das bedeutet nicht, dass jemand mit dem Familiennamen Fischer auch wirklich ein Angler ist. Wie die deutschen Familiennamen entstanden sind, haben wir schon einmal hier erklärt.

In Deutschland war dieses Modell der Familiennamengebung bisher das einzige, das offiziell erlaubt und in amtlichen Dokumenten zugelassen ist. Es gibt daneben aber auch noch zahlreiche andere Formen von Familiennamen auf der Welt. Zwei davon werden wir euch jetzt näher vorstellen, weil es für Angehörige von Minderheiten in Zukunft möglich sein wird, sie offiziell zu verwenden, nämlich Patronyme (also Vaternamen) und movierte Nachnamen (also speziell weibliche Formen von Nachnamen).

Die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe und die Lausitzer Sorben gehören zu den anerkannten autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen in Deutschland. Das neue Gesetz stärkt die Familiennamentraditionen dieser Gruppen. Zuerst schauen wir uns das Modell an, das die friesischen und dänischen Minderheiten verwenden, und dann wenden wir uns den sorbischen Familiennamen zu. Hier gibt es vor allem für die Frauen Neuerungen.

Vaternamen und Mittelnamen: Das dänische und friesische Modell

Fangen wir mit einer Form der Familiennamen an, die in ganz Nordeuropa weit verbreitet ist: den Patronymen, also Vaternamen. Im deutschen System gibt es viele Familiennamen, die auf Patronyme zurückgehen: Petersen, Peters und Peter sind alles Nachnamen, die ursprünglich ‚Peters (Kind)‘ bedeuten, also eigentlich alte Genitivformen sind. Diese Patronyme sind in Deutschland aber schon vor langer Zeit erstarrt und man kann aus ihnen heute nicht mehr schließen, dass jemand, dessen Nachname Peters ist, tatsächlich einen Vater namens Peter hat.

Echte Patronyme sind im Gegensatz dazu dynamisch – sie verändern sich in jeder Generation und passen sich wirklich an die Vornamen der Vorväter an. Für diese Art von Nachnamen ist vor allem Island heute noch berühmt: Jede Person trägt als Nachnamen den Vornamen des Vaters und dahinter je nach Geschlecht noch eine spezielle Endung –son oder –dóttir (oder seit 2019 auch –bur für nichtbinäre Personen) – es gibt ganz vereinzelt übrigens auch Matronyme, also Mutternamen. Bei der Heirat wird der Nachname nicht geändert und bei einer Familie, die aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter besteht, haben alle vier dann unterschiedliche Nachnamen. Dieses System kommt uns ziemlich fremd vor, funktioniert aber einwandfrei – aus deutscher Sicht sind Nachnamen ja Familiennamen und als solche dafür da, dass man erkennen kann, wer mit wem verwandt ist.

Die nord- und ostfriesischen und die dänischen Volksgruppen haben viele Jahrhunderte lang auch Patronyme genutzt, allerdings ohne die geschlechtsspezifischen Endungen. Hier trugen Menschen jeden Geschlechts Nachnamen wie Jensen mit der Endung –sen (wenn ihr Vater Jens hieß). Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde für die nordfriesischen Gebiete verordnet, dass die Bevölkerung zu erblichen Familiennamen übergehen sollte. Diese Verordnung ist aber nicht besonders gut angekommen, sodass sie 50 Jahre später noch einmal wiederholt werden musste. Wirklich durchgesetzt wurden erbliche Patronyme erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts (Timmermann 2001: 392). Dazu trägt auch die Einführung der Standesämter bei: Für die Bürokratie ist es schlicht einfacher, wenn Familiennamen nicht dynamisch sind.

Timmermann (2001) berichtet aber, dass sich abseits von amtlichen Dokumenten die dynamischen Patronyme im alltäglichen Sprachgebrauch noch länger in Nordfriesland gehalten haben. Das ist ja auch ganz logisch: Wir benutzen ja regelmäßig Namen füreinander, die nicht offiziell in unseren Ausweisen stehen. Normalerweise beziehen sich solche Spitznamen zwar eher auf Vornamen, aber es gibt in den Dialekten neben dem offiziellen Namen auch oft noch andere Nachnamen, die sich zum Beispiel auf den Wohnort oder eben auf Vaternamen beziehen. Dazu gehören zum Beispiel die Hofnamen, um es weiter unten bei den sorbischen Namen noch kurz gehen wird.

Übrigens hat Dänemark das patronymische System eigentlich Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft, aber viele dänischen Familiennamen sind auch heute noch erstarrte Patronyme wie Nielsen oder Jensen. In diesem Beitrag vom Digitalen Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD) könnt ihr sehen, dass im Jahr 2007 sehr viele der häufigsten Familiennamen aus alten Patronymen entstanden sind – unter den 50 häufigsten Nachnamen waren ganze 43 Patronyme! Vor ungefähr 20 Jahren gab es in Dänemark aber eine Gesetzesänderung, die die Änderung von Nachnamen deutlich erleichtert hat. Seitdem kann man seinen Nachnamen flexibler wählen und bspw. auch den Nachnamen eines Großelternteils statt der Eltern weiterführen.

Es gibt noch eine weitere Besonderheit bei dänischen Namen: die Mittelnamen. Das sind Namen, die man neben (also zwischen) dem Rufnamen und Familiennamen trägt. In einem Namen wie Poul Nyrup Rasmussen wäre also Nyrup der Mittelname. Als Mittelname kommen entweder der Mittelname eines Elternteils oder der Familienname eines Elternteils in Frage. Das geänderte deutsche Gesetz eröffnen nun erstmals auch die Möglichkeit, Mittelnamen nach dänischem Vorbild zu vergeben. In Dänemark ist das übrigens auch erst seit 2006 möglich und mittlerweile wohl weit verbreitet. In diesem Fall ist die Ermöglichung des Mittelnamens also keine Wiederherstellung einer alten Tradition, sondern eine explizite Anknüpfung der in Deutschland lebenden Minderheit an das aktuelle dänische Namensrecht.

Mit Inkrafttreten des neuen Namensrechts 2025 wird es damit für Angehörige der friesischen und dänischen Minderheiten in Deutschland wieder möglich, zu ihren traditionellen Patronymen zurückzukehren. Dabei gibt es aber noch eine Abweichung: Es soll nun auch möglich sein, sich nach der Mutter zu benennen und nicht nur nach dem Vater. Wer einen Familiennamen nach dem dänischen Recht wählt, ist außerdem nicht auf die Rufnamen der Eltern beschränkt. „Bei Namensbestimmung nach dänischer Tradition gilt das auch für den Namen eines verstorbenen nahen Angehörigen.“ Laut dem konkreten Gesetzestext ist es auch möglich, den Nachnamen eines noch lebenden nahen Angehörigen anzunehmen, dieser muss dem aber zustimmen. Dies umfasst zum Beispiel Großeltern, Urgroßeltern, aber auch Taufpat_innen oder andere nahestehende Personen. Dabei soll laut Gesetzestext die tatsächlich persönliche Bindung relevanter sein als der offizielle Grad der Verwandtschaft bzw. Verschwägerung.

Frauen- und Tochternamen: Das sorbische System

Auch traditionelle sorbische Familiennamen sollen mit der Änderung des Namensrechts wieder erlaubt sein. Die sorbische Minderheit in Brandenburg nutzt traditionell Familiennamen, die in vielen slawischen Sprachen weit verbreitet sind. Bei diesem Namenssystem tragen Angehörige einer Familie zwar den gleichen Nachnamen, aber bei den Frauen wird noch eine besondere Endung angeführt. So trägt die Frau des verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny den Namen Julija Nawalnaja mit der spezifischen Endung –aja für Frauennamen.

In der Linguistik nennen wir solche weiblichen Formen von Wörtern Movierungen und sie kommen im Deutschen eigentlich nur bei Nomen wie Ärztin und Nachbarin vor. Deutsche Familiennamen werden nicht moviert, früher war es aber durchaus gängig. In manchen Dialekten ist das auch heute noch so üblich, nur eben nicht als offizielle Namensvariante. Aber dazu später mehr.

Bei den movierten Nachnamen gibt es übrigens verschiedene Systeme: In den meisten slawischen Sprachen tragen Ehefrau und Tochter den gleichen movierten Nachnamen, also zum Beispiel Grabowska zu der männlichen Form Grabowski. Wie das DFD in einem Artikel zur Movierung in Familiennamen schreibt, gibt es im Sorbischen (sowie im Litauischen und Kaschubischen) aber sogar unterschiedliche Endungen für die Nachnamen der Ehefrau und der (unverheirateten) Tochter. Dort werden die litauischen Beispiele Vitalija Grybauskienė (Mutter) und Dalia Grybauskaitė (Tochter) angeführt. An ihnen kann man also direkt den Familienstand einer Frau ablesen.

Bei der sorbischen Minderheit in der Lausitz wurden vererbbare Familiennamen erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirklich üblich. Davor trugen viele Sorb_innen neben ihrem Rufnamen einen Beinamen, der sich zum Beispiel auf den Hof bezog, auf dem sie wohnten. Zogen sie um, änderte sich auch dieser Beiname. Die später fest angenommenen Familiennamen stammen im Großen und Ganzen aus den gleichen Quellen wie die deutschen: Patronyme, Berufsnamen, Beinamen, Wohnstättennamen und Herkunftsnamen.

Die Unterschiede zwischen den deutschen und sorbischen Nachnamen kann man zum Beispiel im Sorabicon nachlesen. Für den Familiennamen der Frau gibt es mehrere Möglichkeiten, die im deutschen Recht bislang nicht erlaubt waren. So stehen die Endungen –owa und –ina bzw. –yna zur Verfügung, die an den Nachnamen des Mannes angehängt werden. Beispiele für solche Namen sind niedersorbisch Nowcyna (von Nowka) und obersorbisch Wjeńcyna (von Wjeńka). Umgangssprachlich wird die Movierung auch mit –ka gebildet, wie bei dem weiblichen Nachnamen Budarka, der vom Nachnamen des Ehemanns Budar abgeleitet ist. Für unverheiratete Töchter wird im Gegensatz dazu die Endung –ec oder –ic gebraucht, wie bei Marja Domaškec. Im Niedersorbischen gibt es dafür die Endungen –ojc bzw. –ejc und –ic bzw. –yc wie in Šołśic und Lažcyc (von Lažki).

Das Sorbische kennt noch weitere besondere Formen von Familiennamen, die nur in bestimmten Kontexten verwendet werden. Offiziell sind all diese traditionellen Formen der Nachnamen aber nicht erlaubt und können zum Beispiel nicht in den Personalausweis eingetragen werden. Davon sind vor allem sorbische Frauen betroffen, weil der männliche Nachname in der Regel derjenige ist, der im deutschen Amtsregister als Familienname geführt wird. Genau das soll mit der Neuregelung des Namensgesetzes geändert werden.

In §1355b wird festgelegt, dass ein Ehegatte den geschlechtsangepassten Ehenamen führen darf, wenn er der sorbischen Tradition entspricht (und wenn der Ehegatte sorbisch ist). Auch an Kinder darf nun bei der Geburt ein entsprechend der sorbischen Tradition angepasster Familienname vergeben werden. Auch der Unterschied zwischen Ehefrauen- und Tochtername ist im neuen Gesetz also vorgesehen. Anders als traditionell üblich, kann eine Frau, sobald sie volljährig ist, aber vom Tochternamen zum Ehefrauennamen wechseln, auch wenn sie nicht verheiratet ist. Damit wird die sorbische Namentradition also gestärkt, aber der Ehestand wird nicht mehr automatisch im Nachnamen kodiert.

Namensrecht ist Minderheitenrecht

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Änderungen nur Möglichkeiten eröffnen und keine Änderung der Familiennamen vorschreiben. Im internationalen Vergleich sind schließlich beide Arten von Nachnamen, Patronyme und Movierungen, stark rückläufig. Das skandinavische Modell wird in der ursprünglichen, dynamischen Form fast nur noch auf Island praktiziert. Und auch bei den geschlechtsangepassten Familiennamen gab es in den letzten Jahren einige Änderungen. Seit 2021 ist es Frauen in Tschechien zum Beispiel selbst überlassen, ob sie die klassische movierte Form ihres Nachnamens mit –óva nutzen wollen (z.B. Nováková) oder ob sie die Formen wählen wollen, die bis dahin nur Männern vorbehalten war (z.B. Novák).

Auch im restlichen Deutschland waren movierte Formen von Familiennamen übrigens sehr lange sehr weit verbreitet. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts sind sie langsam verschwunden. Davor waren Nachnamen wie Gottschedin oder Müllersche ganz normal. Heute halten sich solche Formen nur noch dialektal, zum Beispiel im Hessischen, und werden dort teilweise ganz selbstverständlich neben dem offiziellen Namen wie Gottsched oder Müller verwendet.

Dass es nun (wieder) eine gesetzliche Anerkennung von traditionellen friesischen, dänischen und sorbischen Nachnamen gibt, ist gleichzeitig eine weitere Form der Anerkennung der Kultur dieser Minderheiten. Die Angehörigen dieser Volksgruppen bekommen nun eine weitere Möglichkeit, ihre Kultur auch ganz offiziell auszuleben. Informell wurden diese Namen auch bisher verwendet, aber es ist eine ganz andere Sache, wenn man weiß, dass der eigene Name nun auch endlich offiziell verwendet werden darf. Namen sind schließlich ein wichtiger und sehr persönlicher Teil unserer Identität und es ist eine große Errungenschaft, dass es Angehörigen von Minderheiten in Deutschland nun ermöglicht wird, ihre Identität auch in diesem Bereich voll auszuleben und sich damit zu ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe auch mit ihrem Namen zu bekennen.

Das deutsche Namensrecht ist mit der Anerkennung von diesen Nachnamentraditionen ein ganzes Stück liberaler geworden, auch wenn es im internationalen Vergleich immer noch vergleichsweise strikt ist. In anderen Ländern kann man Familiennamen teils ziemlich frei wählen und wechseln und auch das hierzulande als absurd diskutierte sog. „Meshing“, bei dem mehrere Nachnamen zu einem kombiniert werden (z.B. Schulz + Müller = Schuller), wird anderswo ganz problemlos praktiziert.

Insofern muss auch niemand Angst haben, dass es jetzt zu großen Verwirrungen um Familiennamen kommen wird. Erstens schaffen andere Länder es problemlos, auch mit deutlich vielfältigeren Familiennamentraditionen klarzukommen und zweitens betreffen diese Änderungen nur einen ziemlich kleinen Teil der deutschen Bevölkerung. Für die meisten von uns ändert sich nichts, aber für die wenigen, die von der Gesetzesänderung betroffen sind, ist es ein großer und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Herzlichen Glückwunsch an alle, die nun endlich auch offiziell ihren richtigen Namen tragen dürfen!

Zum Weiterlesen:
„Bundestag beschließt Änderungen im Namensrecht“. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw46-de-namensrecht-976592 (gesehen am 21.04.2024).
Kachlíková, Markéta (2021): Mit oder ohne –ová: Nachnamen der Frauen. Radio Prague International. https://deutsch.radio.cz/mit-oder-ohne-ova-nachnamen-der-frauen-8719430 (gesehen am 21.04.2024).
Bichlmeier, Harald & Christiane Schiller (2024): Movierung. In: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands. http://www.namenforschung.net/id/thema/19/1 (gesehen am 21.04.2024).
Nübling, Damaris (2024): Friesische Familiennamen. In: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands. http://www.namenforschung.net/id/thema/15/1 (gesehen am 21.04.2024).
Nübling, Damaris (2024): Skandinavische Familiennamen. In: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands. http://www.namenforschung.net/id/thema/26/1 (gesehen am 21.04.2024).
Timmermann, Ulf (2001): Nordfriesische Familiennamen. In Horst Haider Munske, Nils Århammar, Volker F. Faltings, Jarich F. Hoekstra, Oebele Vries, Alastair G.H. Walker & Ommo Wilts (Hrsg.): Handbuch des Friesischen. Tübingen: Niemeyer, 381–396.
Wenzel, Walter: Personennamen. Sorabicon. https://www.sorabicon.de/kulturlexikon/artikel/prov_nq4_24b_f3b/ (gesehen am 21.04.2024).

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