Semantik

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Trunk und einem Trank?

Das Verb trinken ist ein ganz fabelhaftes. Das liegt unter anderem daran, dass es zur Ablautreihe 3a zählt und damit gleich drei Vokale aufweisen kann: trinken – trank – getrunken. Und daher erklärt sich auch, dass die Nomen, die man vom Verb trinken ableiten kann, einmal mit a und einmal mit u ausgestattet sind: Es gibt den Trank und den Trunk. Wir schauen uns den Trank und den Trunk heute näher an und finden heraus, ob sie unterschiedlich verwendet werden, auch wenn sie eigentlich dasselbe bedeuten.

Vom Trinken zum Trunk und Trank

Natürlich starten wir mit der Etymologie. Die ist diesmal nicht so besonders spannend: Sowohl Trunk als auch Trank leiten sich von trinken ab. Beide stellen eine Abstraktbildung dar. Das heißt, sowohl Trank und als auch Trunk bedeutet ursprünglich ‚das Trinken‘ – und dann sehr schnell ‚Trinkgelage, Besäufnis‘, und später dann auch ‚Getränk‘. Trunk ist im Althochdeutschen zudem in der Bedeutung ‚Schluck‘ zu finden. Interessant ist übrigens, dass das Trinken eine ähnliche Entwicklung zu machen scheint: Das Trinken meint ja erstmal den Vorgang des Trinkens, kann sich aber auch auf Alkohol beziehen und kann auch ein spezifisches Getränk meinen (Hast du das Trinken mitgenommen?).

Trank und Trunk begegnen uns heute nur noch selten, weil wir mit Getränk ein anderes geläufigeres Wort haben. Das hat sich aus Trank gebildet und verdrängt Trank dann auch im 18. Jahrhundert. Weder Trank noch Trunk sind vollkommen verschwunden, beide Wörter werden noch gebraucht, aber wie genau? Das schauen wir uns jetzt näher an.

Trank vs. Trunk: Ein Blick ins Synonymwörterbuch

Auf den ersten Blick sind Trunk und Trank gleichbedeutend, also Synonyme. Nun gibt es aber nur sehr wenige echte Synonyme, also Wörter, die wirklich komplett dasselbe bedeuten. Die meisten Synonyme haben doch kleine Bedeutungsunterschiede. Ein Blick in das Synonymwörterbuch von Johann August Eberhart zeigt, dass das auch bei Trunk und Trank der Fall sein könnte:

Trunk bezeichnet sowohl die Handlung des Trinkens, als auch das, was getrunken wird, und zwar so viel, als man auf einmal oder mit einem Zuge trinken kann. Man sagt von einem, der etwas zu viel getrunken hat, er habe einen Trunk über den Durst getan. Ein Trank ist eine genießbare Flüssigkeit, die uns zur Nahrung oder Erquickung dient (im Gegens. zu Speise). „Er setzt’ ihn an, er trank ihn aus: | O Trank voll süßer Labe!“ Goethe, Der Sänger. Dann bezeichnet Trank aber namentlich auch eine besonders zubereitete und zu einem besondern Zweck bestimmte trinkbare Flüssigkeit, wie flüssige Arznei, die eingegeben oder eingenommen wird, Wermutstrank, Liebestrank, Maitrank, Mehltrank, Gifttrank, Lebenstrank usw. Bei Spirituosen wird vorwiegend der Ausdruck Trunk gebraucht, z. B. einen Frühtrunk nehmen, einen Abschiedstrunk geben, dem Trunke ergeben sein usw.“

Das heißt also: Trunk hatte in der Zeit, aus der das Synonymwörterbuch kommt, also um 1900, eher noch die Bedeutung ‚Handlung des Trinkens‘, meinte eine kleinere Einheit als Trank, und war auch eher mit Alkohol verbunden. Trank war eher ein spezifisches Getränk und zwar besonders eins, das einem bestimmten Zweck diente, z.B. eine Arznei. Als Beispiel sehen wir dann auch gleich ein paar Komposita, die das belegen sollen: Da wird der Liebestrank, der Gifttrank und der Lebenstrank auf der einen Seite genannt und der Frühtrunk und Abschiedtrunk auf der anderen Seite.

Gerade zu bilderbuchhaft habe ich die Anwendung der Unterscheidung in diesem Blogpost gefunden, in dem es um die Bekämpfung des Alkoholismus im 19. Jahrhundert geht: „Vereinzelt wurden daher Schankstätten neuen Typus gegründet, in denen der gefährliche Trunk durch einen labenden Trank erst ergänzt und dann ersetzt wurde.“ Der gefährliche Trunk ist der Alkohol und der labende Trank meint den Ausschank von Kaffee.

So viel zur Theorie: Wir schauen uns jetzt mal an, ob sich diese Aussagen im Wörterbuch auch im größerem Stil empirisch belegen lassen.

Dem Trunk und dem Trank auf der Spur

Leider schaffe ich es im Rahmen dieser Zwiebel nicht, eine ausführliche Korpusanalyse zu Trunk und Trank vorzunehmen. Ich lobe es aber hiermit als ein lohnendes Hausarbeits- oder Bachelorarbeitsthema aus! Stattdessen habe ich mir zwei Dinge vorgenommen:

1.: Wir schauen uns die Kollokationen von Trunk und Trank an, also die Wörter mit denen Trunk und Trank gerne vorkommen.

2.: Wir überprüfen anhand von Komposita, ob die Hypothesen aus dem Synonymwörterbuch stimmen: Gibt es die Komposita auch in der Variante auf –trunk bzw. –trank?

Wer sich gerne zu Trunk und Trank gesellt

Die Kollokationen von Trunk und Trank können wir über das DWDS gut vergleichen. Das DWDS bietet nämlich ein Tool an, mit dem wir bestimmen können, welches Wort besonders gern mit welchen anderen Wörtern steht. Dabei kann man auch zwei Wörter miteinander vergleichen: Auf diese Weise können wir überprüfen, ob bestimmte Wörter eher mit Trunk oder eher mit Trank vorkommen. Dasselbe haben wir auch schon mit fliehen und flüchten gemacht, das könnt ihr hier nachlesen.

Trunk steht gerne mit folgenden Wörtern:

  • Bissen
  • ergeben
  • erfrischend
  • verfallen
  • hingeben
  • kühl

Und Trank steht gerne mit folgenden Wörtern:

  • süß
  • magisch
  • Unterhaltung
  • braun
  • bitter

Das genaue Wortprofil könnt ihr hier anschauen.

Die Verbindung aus Trunk und Bissen ergibt sich aus einem Sprichwort (Auf einen guten Bissen gehört ein guter Trunk). Ähnliches scheint für Unterhaltung und Trank zu gelten. Wenn man das googelt, tauchen Formulierungen auf wie Beste Unterhaltung bei Tanz, Speis und Trank. Speise ist übrigens auch stärker mit Trank assoziiert als mit Trunk, das sieht man, wenn man sich die Kollokationen wortartenspezifisch ansieht.

Es fällt auf, dass der Trunk gerne mit den Verben hingeben, ergeben und verfallen gebraucht wird (sich dem Trunk hingeben/ergeben, dem Trunk verfallen). Das passt zu der Verbindung von Trunk mit Alkohol. Begrenzt man die Kollokationen auf Verben, tauchen beim Trunk noch lieben, tun und anbieten auf (den Trunk lieben, einen Trunk tun, einen Trunk anbieten). Wohingegen Trank vorrangig mit den Verben bereiten, trinken und verabreichen steht. Der Trunk wird also anders als der Trank nicht bloß getrunken, sondern Menschen sind ihm regelrecht erlegen. Das sieht man auch an Komposita wie Trunksucht. Der Trank hingegen wird auch mal zubereitet und verabreicht, was für die Assoziation mit einem bestimmten Getränk bzw. Arznei spricht. Die Kollokationen mit Verben zeigen also sehr schön, dass Trunk eher den Vorgang des Trinkens meint und Trank eher ein spezifisches Getränk.

Der Trunk ist nur mit zwei Adjektiven stark assoziiert. Er ist erfrischend und kühl, wohingegen der Trank auch mal bitter und braun sein kann, aber auch süß oder magisch. Wenn man die Kollokationen auf Adjektive eingrenzt, dann tauchen übrigens noch fröhlich und frisch für den Trunk auf und für den Trank heiß, tödlich und heilig. Der Trank scheint also mit weitaus mehr Eigenschaften verbunden zu werden als der Trunk. Dies spricht für die Interpretation des Tranks als etwas, das man für eine spezifische Wirkung verabreicht. Der Trunk scheint dagegen vorrangig etwas Spaßiges und Angenehmens zu sein.

Liebestrank vs. Liebestrunk

Nun werfen wir noch einen Blick auf Komposita auf –trunk bzw. –trank. Ich habe dafür die folgenden ausgewählt: Liebestrank, Gifttrank, Zaubertrank und Schlaftrank als Getränke für einen bestimmten Zweck, die also a bevorzugen sollten. Abschiedstrunk und Willkommenstrunk als Anlässe für ein Getränk, die u bevorzugen sollten.

Ich habe die Wörter über das DWDS in den Gegenwartskorpora mit freiem Zugang gesucht.

KompositumBelege
Liebestrank 402
Liebestrunk 22
Gifttrank 22
Gifttrunk 2
Zaubertrank 800
Zaubertrunk 17
Schlaftrank 5
Schlaftrunk 147
Abschiedstrank 2
Abschiedstrunk28
Willkommenstrank 21
Willkommenstrunk29
Tabelle 1: Vorkommen der Komposita auf –trank bzw. –trunk

Wir sehen, dass ein Liebes-, Gift- oder Zaubertrunk durchaus vorkommen kann, aber die Zahlen sprechen hier ganz klar für Trank. Das spricht für die These, dass der Trank etwas ist, was man für einen spezifischen Effekt trinkt. Einzig der Schlaftrunk passt hier nicht in das Konzept. Der ist ganz klar ein Trunk und kein Trank. Es ist aber nicht auszuschließen, dass hier oft Alkohol gemeint ist oder eben ein kleiner Schluck von etwas. Das würde die Präferenz für Schlaftrunk erklären. Beim Schlummertrunk ist übrigens dieselbe Tendenz zu u statt a zu beobachten (71 zu 2 Belege).

Der Abschieds– und der Willkommenstrunk passen wiederum ins Konzept: Hier geht es ja nicht so sehr um das Getränk an sich, sondern eher darum, dass man das Getränk gemeinsam zu einem bestimmten Anlass einnimmt und vermutlich ist es auch alkoholisch. Sehr deutlich sieht man das auch beim Umtrunk, den es gar nicht in der Variante mit a gibt, der aber dafür in 352 Belegen mit u zu finden ist.

Fazit: Ein gemeinsamer Umtrunk von Wörterbuch und Empirie

Unsere kleine empirische Studie unterstützt die Hypothese aus dem Wörterbuch: Trank meint in erster Linie ein Getränk, das oft für einen spezifischen Zweck gedacht ist. Das sehen wir an den Kollokationen, die eine Zubereitung und das Trinken in den Fokus rücken und den Trank spezifisch beschreiben (magisch, bitter, süß). Trunk meint eher noch das Trinken an sich und zwar meist von alkoholischen Getränken. Das zeigt sich in den Kollokationen darin, dass Trunk gerne mit hingeben und ergeben verwendet wird. Und dafür sprechen auch Komposita wie die Trunksucht und der Trunkenbolt, die es nicht als Tranksucht oder Trankenbolt gibt. Die gesellschaftliche Komponente wird in Komposita wie Abschiedstrunk deutlich.

Und damit beenden wir unseren kleinen Vergleich. Wir hoffen, dass dieser Zwiebeltrank euch gemundet hat!

Zum Weitervergleichen:

Trank im DWDS

Trunk im DWDS

Wortprofil von Trunk und Trank im DWDS

Eintrag zu Trank und Trunk im Synonymwörterbuch von Johann August Eberhard

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